Home away from Home


Zum Abschied band die junge Frau aus der Wäscherei ein Blumengesteck an das Ankergeschirr der Vixen und die Hafenmeisterin brachte auf ihrem kleinen Motorboot die Gitarre. Dann stellten sie sich zu den anderen Menschen, die bereits am Steg der Vuda-Marina warteten. Zusammen stimmten alle ein Lied an und wir hatten vor Rührung Tränen in den Augen. Nach 5 Wochen auf den Fidschi-Inseln legten wir ab. Eigentlich wollten wir gar nicht so lange bleiben. Das wir doch so lange blieben, lag nicht nur an der wunderschönen Natur und den tollen Segelbedingungen sondern vor allem an der Freundlichkeit der Bevölkerung des Inselstaates. Doch eins nach dem anderen.

An einem Montagmorgen kamen wir früh in der kleinen Stadt Savusavu auf der zweitgrößten Insel Fidschis – Vanua Levu – an. Savusavu ist ein beliebter „Port of Entry“ für alle, die aus dem Osten gesegelt kommen. Das Einklarieren von Boot und Crew gilt als unkompliziert und gut organisiert und das ist es, was man möchte, wenn man per Boot in ein Land einreist und einige Seemeilen in den Knochen stecken hat. Per Funk hatten wir uns schon ein paar Meilen vorher bei der WaituiMarina angemeldet und bei unserer Ankunft wartete bereits ein Mitarbeiter auf uns und half, die Vixen an einer der Mooringbojen festzumachen. Wir wurden informiert, dass die Behörden bereits auf dem Weg seien und demnächst zur Vixen gefahren werden, um die Formalitäten direkt an Board zu erledigen. Tatsächlich kletterte schon kurze Zeit später – sozusagen als Vorhut – eine nette Frau der Gesundheitsbehörde auf die Vixen und begrüßte uns mit einem strahlenden „Bula Bula“, was, wie sich herausstellte, ein gern und oft benutzter Gruß in Fidschi ist. Wir tranken Kaffee und füllten die Papiere aus, die sie vor uns ausbreitete. Sie befand uns für gesund und bat, die Vixen genauer zu inspizieren. Wir führten ihr die Küche, das Lebensmittellager, das Badezimmer und den Mülleimer vor. Wohlweislich hatten wir alle frischen Sachen vorher aufgegessen und das machte sie zufrieden, denn „Frisches“ ist bei der Einreise nicht gern gesehen und kann zu empfindlichen Geldstrafen führen. Anschließend kam eine ganze Delegation bestehend aus der heiligen Dreifaltigkeit „Biosecurity, Immigration and Customs“ an Bord. Weitere Papiere wurden ausgefüllt, Fragen wurden beantwortet, Stempel wurden gestempelt, Coca-Cola wurde ausgeschenkt. Bald war alles erledigt und ein freundlicher Small-Talk entpann sich. Man gab uns Restaurant-Tips und empfahl Sehenswürdigkeiten. Wir und die Vixen waren nun offiziell in Fidschi genehmigt. An Land empfing uns per Handschlag Izekiel. Izekiel arbeitet als Sicherheitsmann in der WaituiMarina, seine Berufung ist es jedoch, Pastor einer Pfingstlergemeinde zu sein. Nicht nur ihn, sämtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dieser kleinen goldigen Marina haben wir nach kürzester Zeit ins Herz geschlossen.

Und so ging es weiter Schlag auf Schlag. Überall begegneten wir Menschen, denen eine Sache gemeinsam war: Sie waren schlicht und ergreifend saunett. Saunett war auch das kleine Städtchen Savusavu. Bunt und quirlig, trotzdem übersichtlich und aufgeräumt. Im Zentrum ein herrlicher Markt, die Hauptstraße gesäumt mit vielen kleinen Einzelhandelsgeschäften – Schneidereien, Werkzeugläden, Handwerksbetriebe, Bäckereien – wie ich sie noch aus Indien in Erinnerung hatte.
Tatsächlich sind fast 40 % der Bevölkerung indischer Abstammung. Neben dem Fidschianisch und Englisch ist das Fidschi-Hindi eine der 3 Amtssprachen. Dass das Zusammenleben der sogenannten „Inder“ und der „ursprünglichen Bevölkerung“ Fidschis, welche traditionellerweise durch Häuptlingsdynastien geprägt war (und zum Teil heute noch ist), nicht immer unproblematisch war und ist, soll an dieser Stelle erwähnt aber nicht vertieft werden. Ethnologisch und politisch tut sich
hier ein weites und überaus interessantes Feld auf, welches sich die geneigte Leserschaft durch einschlägige Lektüre bitte selbst erschließen möchte. Zur Vertiefung empfehle ich uneingeschränkt einen intensiven Feldaufenthalt vor Ort, den man gut mit einem großartigen Strand- und Schnorchelurlaub verbinden kann – und einfach das Beste aus beiden Kulturen genießt.

Das Beste, dass ist für uns auch immer die Küche der von uns besuchten Länder und die ist in Fidschi aus oben erwähnten Grund besonders vielfältig (und günstig!). Gerne gingen wir in Savusavu ins Mothers-Country-Kitchen, wo Tochter, Mutter und Oma gemeinsam köstliche indische Gerichte auf den Teller zauberten. Toll war auch die namenlose Wirtschaft neben der Waitui-Marina, wo wir das traditionelle Fish-Miti probierten. Das ist in Kokosnussmilch gekochter Fisch mit Limette und Chili, serviert mit Yams. Ein leckerer, sattmachender Traum eines Gerichtes. Toll waren auch die in Taro-Blättern eingewickelten Fischfrikadellen, die uns Izekiels Frau servierte, als wir bei der Familie zu Essen eingeladen waren.

Leute, auch Fremde, an Sonntagen in sein Haus einzuladen, scheint in Fidschi sehr gängig zu sein. Nicht nur einmal wurden wir wahrlich königlich bekocht. Ob im Haus „unseres“ Frisörs oder eben nach dem Gottesdienst bei Pastor Izekiel, bei dem sogar Adam ein paar Sätze gepredigt hat – die Sonntage in Savusavu waren Familientage. In Fidschi seien wir„home away from home“, so sagte Izekiel. Und genauso fühlte es sich tatsächlich ein bisschen an.

Savusavus ist ein guter Ausgangspunkt für Ausflüge in die schöne Natur Vanua Levus. Mit dem Mietauto, Taxi oder Bus kommt Insel einiges her. Uns hat besonders gut der Wasserfall und der sogenannten Mudpool gefallen. Dieser Art Matschteiche gibt es mehrere auf der vulkanischen Insel und ein Bad in ihnen ist sehr wohltuend und verspricht Heilung für etliche Gebrechlichkeiten. Nicht unerwähnt sollen die tollen Schnorchel- und Tauchspots rund Savusavu sein, zum Beispiel am Jaques Custeau Resort, das Raibow Reef oder das Meeres-Reservat der vorgelagerten Insel Namena.

Der Abschied von Savusavu viel uns schwer aber wir wollten weiter auf die Yasawa-Inseln, die im Westen des Archipels liegen. Wir machten einen kurzen Zwischenstopp auf der Insel Makogai,die einst für ihre Leprakolonie bekannt war. Unter der Obhut französischer Nonnen, lebten hier bis in die 1960er Jahre die Erkrankten in einer richtigen kleinen Stadt zusammen. Auf der Insel stehen noch immer die Überreste des alten Kinos und andere Ruinen. Außerdem gibt es einen guterhaltenen Friedhof im Wald. Mittlerweile ist die Insel bekannt für seine Aufzuchtstation von Riesenmuscheln (Giant Clams). Makabererweise hat man zu diesem Zweck die alten Bettgestelle des Lepra-Krankenhauses versenkt und platziert die Muschel-Sprösslinge auf ihnen für die Aufzucht. Die bizarre Szenerie haben wir uns schnorchelnderweise angeschaut und waren begeistert.

Mit halben Wind segelten wir mit der Vixen wie auf Schienen durch die Bligh-Sea zu den YasawaInseln. Die Navigation im Archipel ist herausfordernd und es ist empfehlenswert nicht bei Nacht zu segeln, da es viele Riffe und Untiefen gibt. Manchmal ist das aber nicht zu vermeiden und das Navigationsprogramm Navionics hat uns persönlich einwandfreie Dienste geleistet. Von anderen Seglerinnen und Seglern haben wir allerdings gegenteiliges gehört. Es lohnt sich auch Satellitenbilder zu studieren (z.B. Google-Earth) oder zum Abgleich noch Open-CPN zu benutzen, was wir jedoch nicht gemacht haben. Letztlich sind gesunder Menschenverstand und Wachsamkeit zwischen den Inseln auf jeden Fall von Nöten, ob am Tag oder in der Nacht. Das kann einem keine noch so gute Software abnehmen.

Auf den Yasawas warfen wir unseren Anker im Norden in der sehr gut geschützten Buassali-Bay. Und jetzt war es endlich soweit. Jetzt konnten wir endlich „Sevu Sevu machen“! „Was mag das sein?“, wird sich die geneigte Leserschaft zu Recht fragen, doch keine Sorge, ich erkläre es gern. Auf der insbesondere für Seglerinnen und Segler sehr informativen Internetseite Fijimarinas.com lese ich:

„There is perhaps nothing that captures the essence of fijian culture better then the „sevu
sevu“. It is the central component of all life-cycle ritual, social gathering, healing ceremonies
and communitiy meeting.

Significant and ancient in Fiji, the „sevu sevu“ also marks the time an the place for visitors
to seek acceptance into a Fijian village.“

Sevu Sevu ist, man ahnt es bereits, also wieder ein sehr komplexen Phänomen, das einem auf Fidschi begegnen kann und auch hier könnte ich ausschweifen, doch ich versuche übersichtlich zu bleiben und beschränke mich auf die Bedeutung, die das Sevu-Sevu für den allgemeinen Segeltouristen hat:

In Fidschi gibt es das Getränk Kava. Dieses wird aus den gemahlenen Wurzel der Pflanze Piper methysticum hergestellt. Diese Wurzeln kann man gebündelt auf jedem Markt in Fidschi kaufen, manchmal werden auch bereits fertig gemahlenen Säckchen Wurzelpulver angeboten. Die Ware gibt es in verschiedenen Preisklassen, je nach Größe und Qualität der Gebinde. Das Getränk Kava hat eine leicht berauschende Wirkung, darum wird es auch manchmal Rauschpfeffer genannt. Es schmeckt tatsächlich etwas pfefferig aber in erster Linie erdig, so richtig lecker ist es nicht. Wir warfen Anker und fuhren mit dem Dinghy an den Strand, an welchem direkt ein kleines Dorf lag. Dort angekommen fragten wir nach dem Chief, um um Erlaubnis zu bitten, den Ankerplatz zu benutzen und an Land zu gehen. Denn all dies ist im privaten Besitz des Familienclans. Als Zeichen des Respekt und als eine Art Bezahlung gibt man das besagte Sevu-Sevu ab. Es gilt als außerordentlich unhöflich, diesen Gang nicht zu machen und man kann des Platzes verwiesen werden. Es ist vielleicht ein bisschen so, als ob man in Deutschland ungefragt sein Zelt im Vorgarten von Fremden aufschlagen würde. Bei unserer Ankunft saßen einige Familie des Dorfes am Strand, spielten Gitarre und genossen ihren freien Tag, denn es war Sonntag. Wir trugen unser Anliegen vor. Man sagte uns, wir seine herzlich willkommen. Das Sevu-Sevu könnten wir aber erst am nächsten Tag dem Chief darreichen. Heute sei immerhin der Tag des Herren und somit hätte man frei. Also besuchten wir am nächsten Tag erneut die Insel und man führte uns zum Chief. Mit uns waren noch eine ganze Reihe weiterer Crews, die auch ihr Sevu-Sevu abgeben wollten. Der Chief, ein älterer Herr in Shorts und T-Shirt, empfing uns in seinem Haus und bat uns, im Halbkreis um ihn herum zu sitzen. Er sprach einige einladende Worte und fragte nach diesem und jenen. Religion, Herkunft, Beruf und Familienstand schienen ihn besonders zu interessieren. Dann wies er uns an, das Sevu-Sevu vor ihm hinzulegen. Reihum gingen wir seiner Aufforderung nach. Oft wird in diesem Rahmen nun das besagte Getränk – Kava – gebraut und gemeinsam getrunken, traditionellerweise unter Ausschluss der Frauen (für Touristinnen wird aber häufig eine Ausnahme gemacht). Der Chief ließ uns jedoch wissen, dass er diese Woche eine „sevu-sevu-freie Woche“ verordnet hätte und wir daher auf das Getränk zu verzichten hätte. Er erklärte, dass viele Männer durch den regen Konsum zu träge würden und in der Folge Haus und Hof vernachlässigen würden. Er bat um Nachsicht. Wir verstanden und kamen also nicht in den Genuss des Kava-Getränkes (Achtung Spoiler: Das holten wir dann in Vanuatu nach, aber das ist eine andere Geschichte). Abschließend hieß er uns noch mal alle herzlich willkommen und lud uns ein, das Dorf zu besichtigen, in der Lagune zu schnorchel und die Höhle zu erkunden. Wir dürften so lange bleiben, wie wir wollten.

Leider konnten wir aber nur zwei Tage bleiben, denn es wurde schweres Wetter angekündigt und so machten wir uns auf in den Süden zur besser geschützten Manta-Bay, wo wir zwar keine MantaRochen sahen aber toll schnorcheln konnten. Um dem immer näher kommenden Sturm zu entweichen, setzten wir am darauffolgenden Tag Segel und fuhren auf die Hauptinsel Viti Levu, um dort in der Vuda-Marina ein sicheres Plätzchen zu finden. Die Marina war zwar picke-packe voll aber der Hafenmeister quetschte uns noch irgendwie zwischen zwei Boote und so hockten wir dicht an dicht mit internationaler Seglerschaft auf unseren Booten und warteten auf den Sturm – der nicht kam.

Trotzdem waren wir froh, mal wieder in den Luxus einer richtigen Marina zu kommen; einer, wo man einfach vom Boot auf den Steg steigen kann, zur Dusche schlurfen kann oder in die Bar. Wo es Elektrizität gibt und Frischwasser, soviel man will. Wo man ungehemmt das Boot und sich selber von sämtlichen Salzkrusten abschrubben kann. Wo man morgens ein Croissant kaufen kann. Wir waren selig. Hinzu kommt, dass die Vuda-Marina eine überaus hübsche Marina ist und familiengeführt wird und mit größer Freundlichkeit punktete. Toll waren auch die freien YogaStunden, die jeden Morgen mit Blick aufs Meer angeboten werden. Eines Abends wurden sogar alle Crews zu einem „Meet and Greet“ mit der Belegschaft eingeladen und reichlich mit Kanapees und Bowle verköstigt. Heiter bis fröhlich wurden an diesem Abend viele neue Freundschaften geschlossen.

Von der Vuda-Marina kann man mit einem Überlandbus ins nahe Nadi schaukeln. Allein die Busfahrt ist es wert den Ausflug zu unternehmen, denn man sieht viel von Land und Leuten und der Busfahrer macht nebenbei noch den DJ. In der Altstadt von Nadi ist ein toller lokaler Markt, auf dem man alles bekommt, das Herz und Magen begehren. Empfehlenswert ist auch ein Besuch im Sri-Siva-Subramaniya-Tempel, der größte Hindu-Tempel im gesamtem Pazifik. Den Ausflug kann man gut mit einem Besuch im Botanischen Garten (Garden of the sleeping Giant) kombinieren, wo es zahlreiche zierliche Orchideen zu bestaunen gibt.

Und so bleibt abschließend zu sagen, dass wir auf Fidschi eine wunderschöne Zeit hatten, die wie im Flug verging und wir uns rundum wohl und stets willkommen fühlten – eben „home away from home“.