Arbeit zieht Arbeit nach sich, das wusste schon mein Freund Florian zu berichten. Er pflegt daher bis heute, nur so viel zu arbeiten, wie es unbedingt nötig ist. Diesem Beispiel wollten wir folgen, wir wollten es sogar übertrumpfen: Wir wollten gar nicht mehr Arbeiten. Eine berufliche, eine gesellschaftliche, eine geistige Auszeit nehmen. Mit dem Boot weg segeln, fort von Deutschland, aus dem südlichen Norden (Holland) bis in den westlichen Süden Europas (Teneriffa), über den Atlantik und dann erst mal Fünfe gerade sein lassen in der Karibik, im Kokosnussbikini auf dem Vordeck, brutzelbraun, ein Kaltgetränk in der Hand, ein mildes Lächeln auf den Lippen, bis es dann weiter geht in den Pazifik und so weiter und so fort. Gut würde es uns dann gehen, so malte ich mir das aus. Und frei würden wir sein, so glaubte ich, denn so hörte man das ja allenthalben und so las man es auch in den einschlägigen Reiseberichten anderer „Los-Segler“.
Nach gut 6 Monaten des Reisens mit dem Boot kann auch ich sagen: Arbeit zieht Arbeit nach sich. Egal wo, Egal wie. Bau dir ein Segelboot und du wirst auf ewig unter seiner Knute sein. Du musst es reparieren (ein ungeschriebenes Gesetz besagt, dass Motoren, Pumpen, Navigationsinstrumente und der Gleichen bevorzugt nachts kaputt zu gehen haben und zwar dann, wenn man eine Passage segelt und es ordentlich bläst), du musst es putzen, du musst es inspizieren. Regelmäßig will es gewartet, umsorgt und gepflegt werden. Ständig zwickt und zwackt etwas, fällt aus, bricht ab, plopptauf, verheddert sich, ist anstrengend und gefährlich. Es immer beschwerlich. Es ist nie leicht. Nie.
Es bleibt schleierhaft, warum Menschen überhaupt segeln gehen, obwohl sie nicht dafür bezahlt werden. Im Gegenteil: die meisten Menschen zahlen viel Geld dafür, um segeln gehen zu dürfen. Michael Stadler fragt schon 1984 in seinem Buch Psychologie an Bord (Klasing)„Was treibt uns auf See?“. Er beleuchtet darin unter anderem die Motive, warumdiejenigen, die einmal auf See waren, es immer wieder tun.Trotz aller Beschwerlichkeiten und Gefahren. Neben Neugier- und Leistungsmotivation nennt er vor allem den Aspekt der Persönlichkeitsentwicklung.
Von mir befragte Segelfreunde nannten als Antreiber das gute Gefühl des Ankommens im Hafen oder in eine besonders schöne Bucht. Letztendlich bleiben die Motive für jede*n höchst individuell aber es gibt wahrscheinlich nur wenige Segler*innen, die sich noch nicht gefragt haben „Was mache ich hier eigentlich?“.
Auch auf Martinique, wo wir zwischenzeitlich angekommen waren, konnte ich diese Frage nicht vollumfänglich beantworten. Sie war dann aber auch gar nicht mehr so dringlich, weil wir gemütlich in Buchten rumgedümpelt sindund die bezaubernde Natur an Land bewundert haben.
Die Vorzüge der EU, zu der Martinique als Übersee-Departement Frankreichs gehört, sind nicht nur deutlich zu spüren bei dem denkbar einfachen Einreiseprozedere(Einklarieren am PC für 3 Euro in einer Bar, ganz ohne Covid-Test) sondern auch wenn man mit dem Mietauto die Insel erkundigt. Die Straßen sind einwandfrei, alles ist sehr sauber, sehr gepflegt, gut ausgeschildert, korrekt angelegt und fein gestutzt. Ein bisschen glatt vielleicht und EU-genormt gradlinig, aber daher auch irgendwie vertraut und heimelig.Fast schon wähnten wir uns in Südfrankreich auf der Route National, wenn wir nicht plötzlich in einem Regenwald gewesen wären, später auf einem Vulkan und tags drauf in den Mangroven im Naturreservat Presqu’ile de la Caravelle im äußersten Westen der Insel.
Gegessen haben wir wie Gott in Frankreich, die Küche ist kreolisch, die Croissants sind knusprig, die Musik ist kokett und die Supermärkte sind bestens ausgestattet. Wir haben unter Palmen gelegen, mit Schildkröten getaucht, sind Küstenwanderwege entlangspaziert, hatten ein TV-Team und Freunde zu Besuch an Bord und wir haben – natürlich – repariert und geputzt.
Arbeit zieht Arbeit nach sich (vor allem die Arbeit an sich selbst) aber auf Martinique ist das nur halb so schlimm.
Pani Pwoblem!