Kein knallrotes Gummiboot, sondern ein froschgrünes Motorboot, hielt morgens an unserer Backbordseite. Ich schnitt grade eine Mango klein, Adam machte Ostfriesentee, als die junge Kapitänin uns fragte, ob wir Wasser tanken möchten. Das mochten wir, der Saugrüssel wurde in die Wassertanköffnung der Vixen gehalten, Wasser marsch. Wir tankten 160 Gallonen (1 Gallone = 3,84 Liter und so hatten wir Zeit, uns mit Miranda und ihrem Freund Denny zu unterhalten. Miranda betreibt, wie so viele auf Bequia, ein kleines Dienstleistungsunternehmen rund um die zahlreichen Yachten in der Admiralty Bay der Inselhauptstadt. Sie macht in Wasser, Wäsche, Eis – alles frei Boot. Abends öffnet Miranda ihre kleine Bar in dem wenig von Touristen frequentierten Stadtteil Hamilton direkt am Wasser. Außerdem fährt sie noch Taxitouren mit ihrem eigenen Van. Respekt.
Sie lebt von und mit den Touristen, den „Yachties“. Vielen von Ihnen kommen direkt zum Einklarieren nach Bequia, viele von ihnen haben die ca. dreiwöchige Atlantikpassage hinter sich, sie brauchen Wasser, kaltes Bier und frische Unterhosen.
Auch für uns war St. Vincent and the Grenadines das erste Ziel nach dem „Crossing“, wie im Seglerjargon die Atlantiküberquerung gerne genannt wird. Die Inselgruppe und insbesondere Bequia sind es wert, etwas näher betrachtet zu werden. Denn die Insel ist nicht nur einfach „nett und unaufgeregt“, wie in Karibik, Nr 1. angedeutet.
Es ankert sich ruhig und komfortabel in der Bucht. Die vielen Yachten verteilen sich gut und nie hatten wir das Gefühl, dass es überfüllt ist. Schnell ist man mit dem Dinghy an Land, die Wege zu Wasser und Erde sind kurz in Bequia. Wer zu faul ist, zum Bäcker zu gehen, den beliefert der „Bread-Man“ mit Baguette und Croissants, Bier bringt der „Beer-Man“. Es gibt Taxiboote und Bojenvermieter, zum Beispiel Mister „Phat-Shag“, dessen Name Programm ist. Wuchtig steht er auf seinem bunten Schnellboot und patrouilliert durch die Bucht, immer seine Mooringbojen im Blick, immer zu einem lockeren Schwatz aufgelegt. Man begrüßt sich mit der Ghettofaust (die es dank Corona mittlerweile in die Spitzenpolitik geschafft hat). Dieses Begrüßungsritual zieht sich auch an Land weiter, zum Beispiel auf dem lokalen Wochenmarkt, der täglich am Hafen stattfindet. Die Faust zum Gruße, so wird’s auch vom freundlichen Rasta-Mann gehandhabt, der die besten Tomaten hat und uns nach dem Einkauf immer noch etliche extra Mangos zusteckte. Da greift man gerne zu.
Manchmal hatten wir so viele Mango, dass wir gar nicht richtig gegen an essen konnten. Das machte aber nichts, denn halb flüssige Früchte lassen sich (Achtung: Tip!) hervorragend und ohne viel Aufwand mit dem sauteuren aber köstlichen hausgemachten Joghurt, den es bei „Doris Supermarket“ gibt, zu Mango-Lassie mixen. Doris hat indische Wurzeln und betreibt ihren gut sortierten Laden mit der unangefochtenen Autorität einer sehr strengen aber fürsorglichen Mutter. Sie kontrolliert eigenhändig die Impfausweise ihrer Kunden, lässt sie die Hände vorzeigen, besprüht diese mit Desinfektionsmittel und weißt ihnen einen Einkaufskorb zu. Dann, und erst dann, darf man in den Laden vordringen und für sehr teures Geld einkaufen. Ihren zahlreichen Bediensteten gibt sie kurze knackige Kommandos („Go eat!“).
Ach ich komme ins Schwärmen! Man kommt schnell mit den Leuten ins Gespräch, schließt Bekanntschaften, die auch an den nächsten Tagen noch Gewicht haben. Ob im Taxi, in der Bar, im Hafen, am Strand, überall kam die grüßende Ghetto-Faust, manchmal sogar ein „High-Five“, bei größerer Vertrautheit sogar eine herzliche Umarmung. „No Problem, Man!“ und „One Love, Man!“, so scheint das Motto zu sein auf diesem schönen Inselchen.
Das alles wirklich kein Problem zu sein scheint, merkten wir, als wir uns im Dorfkrankenhaus nach einer Booster-Impfung erkundigten. Das könnten wir jetzt gleich machen, so die resolute Krankenschwester. Gegen Spende.
Die Freizeit kann man sehr schön am Strand verbringen oder auf dem SUP. Oder bei einer netten Rundfahrt über die Insel, zum Beispiel in den Fischereihafen von Southside. Da gibt es die berühmten bunten Boote zu begucken. Interessant auch deren Namensgebung: Taliban, Free Willi, Blue Sky oder – auch sehr schön – Me alone in da Valley oder Tropical Storm. Die Kreativität kennt hier keine Grenzen.
Schnell haben wir uns wie zuhause gefühlt, sind dann aber irgendwann abgesegelt, Richtung Union Island. Absolut sehenswert ist die dort die Chatham-Bay. Lediglich eine Handvoll Boote haben sich in diese wilde Gegend verirrt. Es gibt keine großartige Infrastruktur, lediglich zwei, drei Strandbars, das wars. Die Bucht würde sich gut als Kulisse für Jurassic-Park machen. Es ist ein Traum: Man kann mit dem SUP zum Strand paddeln und wunderbar an den steilen Felswänden schnorcheln. Aber das absolute Highlight sind die Vögel. Pelikane und andere große Seevögel bevölkern die Klippen und Felsen. In halsbrecherischen Manövern stürzen sie sich ins Wasser zur Jagd. Ein Spektakel!. Zur Mittagszeit hocken sie im Pulk auf den vorgelagerten Felsen und verdauen. Sie scheinen wenige Berührungsängste zu haben und so kann man ganz nah an sie heranpaddeln. Die urtümlichen Tiere starren einen an und man fühlt sich in einer anderen Welt. Mit Glück kriecht auch noch eine große Eidechse auf dem Felsen entlang. Nach so viel menschlicher Interaktion in Bequia eine absolut wohltuende Erfahrung. Ich hätte Wochen da bleiben können. Leider hatte Adam nicht so viel Spaß an der Chatham Bay, denn er musste die meiste Zeit unter Deck verbringen: Das Hauptlager der Wellenanlage machte ungehörige Geräusche und musste zwecks Fehlersuche komplett zerlegt und wieder zusammen gebaut werden. Außerdem wurde der Ölfilter mit einem Adapter angepasst, weil er geleckt hat. Das Boot ist halt immer für neue Späße bereit. Ich war froh, dass Adam es nicht versengt hat.
Der Wind zog uns weiter nach Ashton Habour, einer verlassenen Marina auf der Ostseite der Insel. Ashon Habour ist auf den ersten Blick etwas verwahrlost aber auf den zweiten Blick hat dieser Lost Place einen ganz eigenen Scharm. In den alten Mangroven kann man sich wunderbar mit dem Dinghy verlieren. So wunderbar, dass man den Tank des kleinen Außenborders nicht mehr im Blick hat und dieser dann irgendwann (200 Meter vor der Vixen) Schlapp macht. Gottseidank hat uns ein engagierter französischer Familienvater evakuiert und uns abgeschleppt (Bild: Adam auf Knien aufgerichtet, mit verzweifelten Blick, mit den Armen wedelnd: „ Help, Help!“). Seit dem pflegen wir immer eine Literflasche Sprit im Dinghy mit uns zu führen. Besser ist das.
Doch eine Übernachtung in Ashton Habour reicht, man möchte weiter zu den (ich greife voraus) – zu Recht – berühmten- Tobago Cays. Die Tobago Cays sind ein kleines Archipel unbewohnter Inselchen nebst Korallenriff. Auf der kleinsten Insel Petit Tabac wurde Fluch der Karibik gedreht. Ohne Wind kann man da 1A schnorcheln und Schildkröten und Rochen beobachten. Leider hatten wir viel Wind und konnten das nicht vollumfänglich tun. Es war trotzdem schön. Und es gibt eine Art Restaurant –Kooperative. Empfehlenswert ist es, bei Michael und Coco Hummer zu bestellen. Sehr lecker, sehr herzlich, sehr familiär. Trotzdem haben wir auf Grund von starken Wind nach 3 Tagen die Segel gestrichen und sind Richtung Martinique gesegelt.
Aber so viel ist sicher: wir kommen wieder!
Video von den Tobago Cays
Weitere YouTube Videos findet ihr hier: https://www.youtube.com/channel/UCyWNVbhYfHctG3cdn4_0aZg/videos